Datenflut und Push-Benachrichtigungen: Die Jubiläumsausgabe des EMAF

Push-Benachrichtigungen bestimmen heute häufig fast schon den Alltag. Wie mit der immer größer werdenden Menge an Daten und Informationen umgegangen werden könnte war eins der Themen der diesjährigen Ausgabe des European Media Art Festivals in Osnabrück.

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EMAF Osnabrück 2017 Kunsthalle Osnabrück
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christina Röhm
Inhaltsverzeichnis

„PUSH – Leben in Zeiten der Hyperinformation“ war der Titel des 30. European Media Art Festivals (EMAF). In diversen Filmprogrammen, Ausstellungen, Performances und Künstlergesprächen wurde hinterfragt wie der Mensch sich in der permanenten Flut aus Daten und Informationen zurecht finden kann. Während im vergangenen Jahr der Fokus des Medienkunstfestivals auf der Beziehung zwischen Mensch und Maschine lag, schienen bei der Jubiläumsausgabe die Grenzen schon zu verschwimmen. Künstliche Intelligenz und kinetische Installationen lassen bereits auf eine Symbiose von Technik und Mensch schließen.

In der Kunsthalle Osnabrück, einer ehemaligen Dominikanerkirche, dreht ein Rollator holprig einsam seine Kreise. Ein aufgeklebtes Schild bittet um Hilfe. Die Arbeit von Fabian Kühfuß hinterfragt, wie zukünftig mit den immer intelligenter und eigenständiger agierenden Maschinen umgegangen werden sollte, wenn diese abgenutzt und nicht mehr leistungsstark sind. Ganz ohne Hilfe kommt die kinetische Installation „Playstation“, ebenfalls von Fabian Kühfuß, aus. Die Maschine spielt völlig selbstständig ohne Zutun eines Menschen ein Playstationspiel und bedient die beiden Controller. Um ein gehacktes Spiel geht es in der interaktiven Installation „Hommage à New York III“ von Florent Deloison. Eine Videospiel für die aus den 90er Jahren stammende, fiktionale Spielkonsole „Glitch Boy“ wurde so umprogrammiert, dass nicht mehr gewinnen Ziel ist, sondern das Zerstören des Programmcodes.

PUSH: Das 30. EMAF in Osnabrück (14 Bilder)

Playstation

Hier übernimmt die Maschine das Videospiel. Das kinetische Objekt von Fabian Kühfuß bedient ganz ohne Zutun des Menschen die beiden Controller der Playstation und tritt im Spiel gegen sich selbst an.

In „Switch Reality“ tauchten die Besucherinnen und Besucher per Virtual Reality in den künstlich nachgebauten Raum der Kunsthalle ein, während aus allen Richtungen aktuelle News und Nachrichtenvideos auf sie einprasseln. Wie eine Verbindung aus Mensch und Technik aussehen könnte zeigte deutlich die Skulptur „The Reader“ des Londoner Künstlers Stanza. Lebensgroß nach einem 3- Scan des Künstlers gefertigt pulsieren die Informationen wie über Adern durch die Skulptur und werden auf den Mikro-Displays sichtbar. Das Kunstwerk geht einer ganz menschlichen Tätigkeit, dem Lesen, nach wird aber durch Software und die verbaute Technik gesteuert. Ein erster Ausblick auf eine Welt in der auch Cyborgs denkbar sind. Aber auch wie zumindest vermeintlich reale Nähe zwischen Menschen in der technologisierten Umwelt entstehen kann war ein Aspekt der Medienkunstausstellung und wurde unter anderem in „Internet 'In' Things von Mahan Mehrvarz und „A Truly Magical Moment“ von Adam Basanta“ aufgegriffen.

Mit dem Media Campus INIT bot das Festival jungen Medienkünstlerinnen und -künstlern eine Plattform um ihre Werke auszustellen. „Gifgun“, eine interaktive Installation von Kevin Mendzies, beschäftigte sich etwa mit den Mechanismen in Sozialen Netzwerken. Sobald der Abzug der Waffe bewegt wird entsteht durch die eingebaute Kamera ein mit aktuell häufig verwendeten Hashtags markiertes Gif. Dieses wird sofort im Internet veröffentlicht und kann sich nun medial ungestorrt vervielfältigen. Ebenfalls Social Media befasst sich die Video Installation „Because happieness is simple, it doesn't take a genius to discover it.“ von Andy Kassier. Ganz nach dem Titel hinterfragt der Künstler mit einer Reihe von Instagram-Stories wie Glück online vor anderen dargestellt wird und was es wirklich bedeutet.

Bei so vielen Themen rund um den Gebrauch des Internets durfte natürlich auch Cat-Content nicht fehlen. So zeigt Pinar Yoldas Video-Installation „THE KITTY AI: Artificial Intelligence for Governance“ eine Utopie, in der eine Katze die Herrschaft übernommen hat. In der Installation „The oCat News Distractor“ von Annika Engelhardt wird dagegen ganz aktuelles Nutzungsverhalten des Internets hinterfragt. Die Views der 25 auf YouTube beliebtesten Katzenvideos werden gezählt und für jeden 1000. View drückt die Winkekatze einen Pfotenstempel auf die Liste aktueller News, sodass diese nicht mehr lesbar sind. Noch mehr Cat-Content gibt es auf dem zu der Installation gehörenden Twitter Bot.

EMAF 2017: Das European Media Arts Festival in Osnabrück (21 Bilder)

The oCat News Distractor

Diese Installation von Annika Engelhardt beobachtet die 25 beliebtesten Katzenvideos auf YouTube. Für 1000 neue Views gibt es einen Pfotenstempel auf die Liste aktueller Nachrichten, die aus verschiedenen RSS-Feeds gespeist wird.

Besonders zum Mitmachen aufgefordert waren die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher auch in diesem Jahr wieder bei den Projekten der Studierenden der Hochschule Osnabrück. Im Interactive Playground wurden verschiedene Devices ausgestellt, die im Studiengang Media & Interaction Design unter Leitung von Dozent Hannes Nehls in Kleingruppen entstanden sind. Oberthema der diesjährigen Seminararbeiten war Sport. So motiviert „weave“ den Nutzer zu regelmäßigem Seilspringen, Brian auf Basis des Spiels „Simon“ zu Training mit der Langhantel und „Rythm Tube“ passt den Rhythmus der ausgewählten Musik der Geschwindigkeit der Übung an. Mit „Viib“ können neue Nordic Walking Routen erschlossen werden, „hunch“ hilft Stress durch Soziale Netzwerke abzubauen und „waorie“ verbindet Angelübungen mit der Erinnerung an schöne Erlebnisse. Die Smartphone-Apps zu den über Arduinos gesteuerten Devices wurden ebenfalls von den Studierenden geschrieben.

Am Sonntagabend ist das Festival mit einem Programm aus in diesem Jahr mit einer Auszeichnung geehrten Filmen und den schönsten Stücken der vergangenen 30 Jahre zu Ende gegangen. Einige Ausstellungsstücke können noch bis zum 21. Mai in der Kunsthalle Osnabrück besichtigt werden. (hch)